Desillusionierende Nachrichten aus Sachsen-Anhalt:
Am 22.04.07 fanden in Sachsen-Anhalt Kommunalwahlen statt. Die Wahlbeteiligung betrug nur 36,5 %. Eine absolute Mehrheit von 63,5 % beteiligten sich nicht an der Wahl. Selbst wenn die beiden größten Parteien eine Regierung bilden würden, hätte diese lediglich 19,5 % der Stimmen aller Wahlberechtigten hinter sich.
Was sich Demokratie nennt, schwächelt so stark, dass man ihren Niedergang nicht übersehen kann.
Ministerpräsident Prof. Dr. Wolfgang Böhmer (CDU) kommentiert die Kommunalwahlen in Sachsen-Anhalt: „Leider ist die Wahlbeteiligung erneut niedrig ausgefallen. Offenbar ist es nicht gelungen, die Menschen von der Bedeutung der Kommunalpolitik zu überzeugen." Zwischen "ist" und "es" vergaß er einzufügen: "uns mit unserer Politik".
Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) meint: "Es ist auch Desinteresse, Faulheit und der fehlende Glaube, dass man mit seiner Wählerstimme etwas erreichen kann" - "Da mögen DDR-Prägungen nachwirken." - "Da entsteht so etwas wie eine Zuschauerdemokratie. Die Menschen meinen, nicht mehr mittun zu müssen."
Faule DDR-Zuschauer? Eher desillusionierte Menschen!
Journal - 2. Mai, 10:18
Beispiele aus den vergangenen Tagen - fast täglich liest man ähnliche - belegen die Behauptung, unsere repräsentative Demokratie bzw. deren Ausübung durch die gewählten "Räte" und "Organe" genüge weder den Realitäten noch den Wünschen der Betroffenen.
Die "Fürstenfeldbrucker SZ" berichtete am 21.11., dass der Bezirk Zuschüsse für Integrations-Kindergärten kürzt. Die Maßnahme wird mit dem neuen bayerischen Kindertagesstättengesetz begründet. Voraussichtlich steht den Integrationskindergärten ein Drittel bis zur Hälfte an Geldmitteln weniger zur Verfügung. Die Gruppen können versuchen, sich zusätzliches Geld von den Kommunen und vom Kreis zu holen. Wenn dort die Mehrheit der Ansicht ist, dafür reiche das Geld nicht, gehen sie leer aus.
Auch wurde berichtet, dass Anlieger mit dem Bebauungsplan des Uhlgrundstücks in Bruck nicht einverstanden sind. Wenn man die klobigen Haus-, Supermarkt- und Bürobaupläne kennt, wundert das nicht. Der bayerische Verwaltungsgerichtshof wird sich mit dem Fall nicht das erste Mal beschäftigen.
In beiden Fällen ist eindeutig, dass die reale Politik den Betroffenen nicht dient und nicht gefällt. Im ersten beschließt die Landes-Regierung Sparkonzepte und Gesetze, die dem Bürger mehr Geld zur Finanzierung sozialer Notwendigkeiten aus der Tasche zieht. Geldmangel, heißt die Begründung. Im zweiten beschließt die Stadt-Regierung eine Grundstücksbebauung im Stadtmittelpunkt, ohne die Rechnung mit den Einwohnern gemacht zu haben. Was gebaut wird, bestimmen wir, sagt die Chefetage im Rathaus. "Das weitere Vorgehen in diesem Streit", heißt es im Zeitungsartikel, "werde die Stadt nun mit einer von ihr beauftragten Anwaltskanzlei absprechen".
Am 23.11. berichtete die Zeitung: In Olching beschließt der Gemeinderat in nichtöffentlicher Sitzung, dass Kriegsopfer nicht geehrt werden sollen, weil der örtliche Kriegsopferverein etwas dagegen hat, dass zwei "Ausländer" gemeinsam mit gefallenen deutschen Soldaten geehrt werden sollten.
Auch Vorgänge in Eichenau um einen Weg, der einem Teil der Bevölkerung gefällt, dem anderen nicht, offenbaren Denkweisen, die demokratischer Transparenz im Weg stehen. Siehe dazu unten den Kommentar aus der "Fürstenfeldbrucker SZ" vom 23.11.2006: "1000 Einwände weggewischt".
Bürgerdemokratie, unter anderem in Form einer Bürgerbeteiligung an der Haushaltsplanung, ist der richtige Schritt in die richtige Richtung, um zu bürgerfreundlichen, sozialen und durchdachten Entscheidungen zu kommen. Wenn denn gespart werden muss, sollten wir Bürger sagen, wohin das Geld zu gehen hat. Wir wissen am Besten, wo am meisten fehlt. Wenn denn gebaut werden soll, sollten wir Bürger sagen, was wir wo und weshalb benötigen, und auch wie es ausschauen soll, ist für uns kein Aspekt, über den andere zu entscheiden haben. Direkte Demokratie ist nicht nur der bessere Weg, er ist garantiert auch der sparsamere. Und teure gerichtliche Auseinandersetzungen sind ausgeschlossen.
Eine Bürgerbewegung in Sachen BÜRGERHAUSHALT meldet sich derzeit in der Bundesrepublik laut zu Wort und manifestiert sich in einigen Städten bereits. Ein interessantes Beispiel ist Hamburg. Dort macht sich auch die CDU stark dafür. Soll in Bayern nicht sein, was andernorts längst eine gute Sache ist?
Natürlich ist das Modell Bürgerhaushalt grundsätzlich heiß umstritten. Das Beispiel Norderstedt zeigt deutlich die Positionen auf:
Das "Hamburger Abendblatt" berichtete am 14. September 2006:
"CDU und FDP lehnen Bürgerhaushalt ab
Auch über den Bürgerhaushalt stritten die Stadtvertreter heftig. "Wie Sie hier mit einem für die Bürger wichtigen Thema umgehen, zeugt von Unwissenheit und Herablassung", rief SPD-Fraktionschef Johannes Paustenbach CDU-Stadtvertreter Günter Nicolai zu. Der hatte zuvor das Kernstück des von der SPD beantragten Bürgerhaushaltes abgelehnt: die Beteiligung der Norderstedter an der Aufstellung des städtischen Haushalts. "Die Ausschüsse tagen öffentlich, es gibt Gesprächskreise und Sprechstunden der Politiker. Wer will, hat genügend Möglichkeiten, seine Anregungen einzubringen", sagte Nicolai. Paustenbach hatte auf erfolgreiche Beteiligungs-Modelle in anderen Kommunen weltweit hingewiesen. Das sei eine Chance, den Menschen den Sparzwang verständlich zu machen. "In Wahrheit wollen Sie doch nur unterwandern und von Ihrer politischen Null-Situation ablenken", sagte Nicolai. Die repräsentative Demokratie habe sich bewährt, und die gewählten Volksvertreter sollten auch weiterhin über das Steuergeld entscheiden. Das will auch die SPD, die Bürger sollten aber im Vorwege stärker einbezogen werden. CDU und FDP lehnten den Bürgerhaushalt ab."
Norderstedt zeigt, dass CDU und SPD den Sparzwang als Hauptanlass für die städtische Politik nehmen und die Idee des Bürgerhaushalts dabei entweder als Störung der Verwaltungsvorgänge ansehen oder aber als Gelegenheit, Sparpolitik als Sachzwang in die Hand der Bürger zu legen und damit zu sanktionieren.
Dass Bürgerbeteiligung, so verstanden, auf den Kopf gestellt wird, wird noch von wenigen gesehen. Die Grundbedürfnisse einer Kommune und eines Staatswesens bestehen aus der Sammlung der einzelnen Bedürfnisse seiner Einwohner, dass heißt, sie entstehen unten und sollen oben in positive Politik umgesetzt werden. Obige Beispiele zeigen, wie ungenügend das funktioniert. Wird die Willensbildung und ihre politische Umsetzung von allen daran Interessierten in aller Öffentlichkeit geprüft, diskutiert und mehrheitlich abgesegnet von unten nach oben transportiert, findet die leidige Selbstherrlichkeit gewisser Charaktere keine Nahrung mehr. Amtschimmelleien und -willkür wie Rechtsstreitigkeitenhaben wird der Nährboden entzogen. Das beste Beispiel dafür ist nach wie vor Porto Alegre in Brasilien, das von Antonio Andrioli im Juni des Jahres in FFB anschaulich vor Augen geführt wurde.
Dennoch, selbst sachzwangorientierte Bürgerhaushalte wie in Hamburg zeigen bereits, wie logisch, sozial und außerdem sparsam die Einwohner ihren städtischen Haushalt einzurichten in der Lage sind. Sie gaben nicht nur der Sozialpolitik den Vorrang, sie gaben 5 % weniger Geld aus, als vorhanden war. Beides ein Novum in unserer Republik!
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1000 Einwände weggewischt
Im Gemeinderat herrscht Einigkeit, unter den Eichenauern sucht man danach zur Zeit vergeblich. Über tausend Eichenauer haben sich für den Rückbau des Starzelbachwegs ausgesprochen. Das sind keineswegs wenige, wie die CSU immer wieder zu suggerieren versucht. Und sie haben sich auch nicht undemokratisch verhalten, wie Bürgermeister Hubert Jung und einige Gemeinderäte behaupten.
Es stimmt, dass es ein Bauleitplanverfahren gab. Es stimmt, dass viel über das Neubauprojekt und die Ausgleichsflächen informiert wurde. Aber die Auflassung des kleinen Wegestücks ging unter in der Debatte über ein Seniorenzentrum, genau so wie die nun von allen Seiten monierte Asphaltierung des neuen Wegs. Selbst im Umweltbeirat wurde darüber geklagt, dass man mit dieser Art Weg nicht gerechnet hatte. Wenn nun zahlreiche Bürger Einwände erheben, sollte man sie nicht zu Feinden der Demokratie erklären und entsprechend behandeln, wie es in der Hitze des Disputs geschehen ist. Ebenso wenig sollte die Bürgerinitiative Druck ausüben, was ihr vorgeworfen wurde. Demokratie setzt die aktive Teilnahme der Bürger am Ortsgeschehen geradezu voraus. Insofern ist es durchaus begrüßenswert, wenn die Eichenauer sich kundig machen, debattieren und nach Alternativen suchen. Denn dass ein "gewachsener" Weg wie der am Starzelbach gerade denen genommen wird, die auf Naherholung angewiesen sind, und das gesamte Procedere dann noch als Ausgleich für die dichte Bebauung gilt, ist keineswegs selbstverständlich. Sicher ist es nachvollziehbar, dass der Gemeinderat seinen ursprünglichen Beschluss nicht zurück genommen hat. Er hat seine Gründe genannt, und sie sind nicht von der Hand zu weisen. Dass er aber der Bürgerinitiative das Recht abspricht, überhaupt einen Beschluss des Gemeinderats in Frage zu stellen, bleibt unverständlich.
Ursula Sautmann
Fürstenfeldbrucker SZ, 23.11.2006
Journal - 23. Nov, 12:36